Veröffentlicht am: 15.12.2019
Ein Restaurant Opus V zu nennen, lässt wohl kaum Zweifel hinsichtlich dessen Bestrebungen und Ambitionen zu:
Kochen wird hier zur darstellenden Kunst und der Gast kann hier ein besonderes kulinarisches Werk, ein Opus oder in Mehrzahl eine Opera culinaria in mehreren Aufzügen erwarten?! - so könnte man das zumindest anfänglich interpretieren.
Über den Abendeingang lässt sich das Opus V bequem mit einem Fahrstuhl erreichen. Das Restaurant befindet sich auf dem Top-Floor von engelhorn Mode im Quadrat, im 6. Stock. Vorbei am Wein-Magazin des Restaurants führt ein schick gestalteter Flur direkt zur hölzernen Eingangstür des Restaurants.
Gastraum
Das Ambiente des Gastraums ist puristisch nordisch gehalten. Viel Holz, weite, offene Räume, unverkleidete Decken und ein großes Panoramafenster mit Blick auf die
Terrasse und die Mannheimer Innenstadt sind sehr einladend und zeitgemäß. Auch dass man keine weißen, schweren Tischdecken im Konzept vorsieht und stattdessen ein schön ungezwungenes Ambiente mit
geschmackvollen, rustikalen Tischplatten aus Kirschholz, finden wir ausgesprochen angenehm.
PROLOG
Kombucha - Karotte - Apfelblüte & Büffelmilch - fermentierte Karotte
Direkt nach dem Platznehmen im Restaurant serviert die Küche bereits die ersten kulinarischen Einstimmungen - eine Kreation von fermentiertem
Kombucha-Tee mit Karotte und Apfelblüte zum Trinken. Der Aktivkohle-Würfel in der Mitte, welcher das Filtermedium symbolisiert ist festgeklebt
und nicht essbar. Die darauf drapierte Apfelblüte hingegen schon. Das schön säuerliche Geschmacksbild mit leichten Bitternoten belebt den Gaumen auf angenehme Weise - sehr schön.
Die zweite, parallel servierte Kreation besteht aus (mit Lab) gestockter Büffelmilch und fermentierter Karotte, welche etwas mit
Yuzu und Honig parfümiert wurde. Die cremig gewordene, etwas an stichfesten Joghurt erinnernde, Büffelmilch bildet einen schönen Gegenpart zur prägnanten Säure der fermentierten Karotte. Die
feinen Noten von Yuzu und Honig komplexieren das Geschmacksbild zusätzlich erfreulich. Auch dieser Papillenreiniger ist sehr gut gelungen.
Unagi - Burger
Tom Yum Gung Praline
Der exzellente Aal-Burger mit etwas frisch geriebenem Wasabi lenkt die Einstimmung sogleich in die herzhafte Richtung. Der Aal wurde dabei mit einer tiefaromatischen Reduktion aus seinem Kochfond, welche zusätzlich mit u.a. Sake und Teriyaki aromatisiert wurde, glasiert - ähnlich der japanischen Aalzubereitung Unagi. Das Burger-Brioche ist schön buttrig süßlich und hat eine tolle Konsistenz. Mit dem separat gereichtem Wasabi zur eigenständigen Dosierung - eine echte Wucht!
Daneben sorgt eine in flüssigem Stickstoff geeiste Tom Yum Gung-Praline für ein sehr schön authentisches Geschmacksbild nach der bekannten thailändischen Garnelensuppe. Interessanterweise werden die Aromen durch die erfrischende Kälte nur marginal gehemmt. Ein toller kühler Happen mit intensiv fernöstlichem Aromenspiel.
Garnele - Meerrettich - Haselnuss
Als finales Amuse Bouche schickt die Küche eine Kombination aus Garnele, Meerrettich und Haselnuss. Hinzu kommt noch ein Granité vom grünen Apfel. Hier tritt das erste Mal ein typisches Stilmerkmal von Tristan Brandt auf: Ein am Boden befindlicher Sud mit komplementären Aromen und etwas frischer Säure.
Die Garnele ist perfekt zubereitet und die aromatische Kombination mit Fruchtsüße und -säure, sowie fein dossierten Meerrettich und Haselnuss funktioniert sehr gut. Etwas Haselnussöl im Boden-Sud des Gerichts steuert in jede Gabel und Löffel etwas Nussigkeit bei. Ein gelungener Abschluss des Amuse-Reigens.
Brotauswahl - Butter - Olivenöl
Die kulinarischen Einstimmungen waren bereits insofern eindrucksvoll, da sie einen interessanten Querschnitt durch die Geschmacksbilder Tristan Brandts zur Schau stellten: nämlich die gekonnte Fusion zwischen einheimischen und fernöstlichen Geschmacksbildern mit versiertem Säure-Spiel. Die Ouvertüre der Oper ist definitiv geglückt. Nun folgt der erste Akt.
DAS MENÜ
Makrele - Tomate - Kimizu
Los geht es mit Makrele. Der fettreiche Fisch wird geflämmt und als Tartar serviert und von Kimizu (einem japanischen Dip, welcher
normalerweise aus Eigelb, Reisessig, Dashi und Zucker besteht) und Tomate begleitet. Zusätzlich befinden sich Kohlrabi-Röllchen, Sake-Kugeln und ein erfrischender Sud auf dem
Teller. Letzterer fungiert praktisch als Nadel und Faden in diesem Gericht, in dem er zum einen eine schöne Säure beisteuert und zum anderen das Geschmacksbild in Richtung Fernost dreht, ohne den
Geschmack der anderen Mitspieler zu überdecken. Insgesamt funktioniert das Gericht hervorragend. Durch den Kontrast des fetten Fisches mit frischen Aromen (u.a. Kaffir-Limette im Sud und Tomate),
Kimizu-Sauce, Sake und kohligem Kohlrabi bleibt das Gericht immer interessant und schmeckt hervorragend. Ein starker Auftakt!
Gemüse - Yuzu - Kombu
Es geht direkt auf diesem Niveau weiter. Der vegetarische Gemüsegang im Menü erweist sich als wahrer Frischekick. Angetrieben durch die herrliche Säure und dem
komplexen Zitrusaroma der Yuzu-Frucht und frischem Kräuteröl entsteht ein enorm belebendes und leichtes Geschmacksbild. Die Kombualge (auf der Tomate) steuert
etwas jodige Akzente bei und eine kreisförmig angerichtete Yuzu-Ganache etwas elegante Üppigkeit, was sehr gut mit den gepickelten Gemüsen und Enoki-Pilzen harmoniert. Gerne
weiter so!
Sepia - Kartoffel - Kaviar
Auch die Kombination aus Sepia, Kartoffel und Kaviar gefällt uns äußerst gut. Das sehr fein mit Knoblauch und Schnittlauch
abgeschmeckte Tapioka-"Risotto" bildet die wunderbare Grundlage, um den jodigen, zart platzenden Kaviar (aus dem Hause Prunier), welcher dem Gericht frisch am Tisch hinzugefügt wird, in Szene zu
setzen. Eine wohlig intensive Sepia-Consommé, welche am Tisch angegossen wird, gibt dem Teller
zusätzlich Wärme und Intensität. Etwas frische Sauerrahmcreme und einige Kartoffeltaler verhelfen dem Gericht zur richtigen Fülle. Kurzum ein toller Zwischengang!
Spanferkel - Pfifferlinge - Spitzkohl
Vorhersehbare Harmonie verspricht der nächste Gang mit der stimmigen Kombination aus Spanferkel-Bauch, Pfifferlingen in verschiedenen Zubereitungen und geschichteten Spitzkohl, als eine Art Mille Feuille. Ergänzt wird die Kombination durch eine geräucherte Hollandaise und einer salzig, intensiven, umamireichen Bouillon, welche in uns spontan Assoziationen an Jan Hartwigs' Signature Dish "Schweinebauch à la chinoise" erweckt.
Bei der bleibt es allerding auch, da Brandts' Gericht mit Pfifferlingen und Spitzkohl von der Aromatik Hartwigs' deutlich abweicht. Der Schweinebauch mit seinen feinen, blassrosa Schattierungen ist ein Traum und schmilzt auf der Zunge förmlich dahin. Die Hollandaise ist optimal geräuchert und bringt sich sehr gut mit ein. Die großzügig am Tisch angegossene Umami-Boullion bewegt sich gekonnt an der Salzgrenze und spielt subtil mit fernöstlicher Aromatik, indem immer wieder etwas Ingwer aufblitzt - genial. Pfifferlinge und Spitzkohl bieten geschmacklich Altvertrautes und runden den Teller mit einem geschickten Gegenkontrast elegant ab. Große Klasse!
Kohlenfisch - Soja - Zitrusfrüchte
Mit einem hierzulande auf den Speisekarten viel zu selten vorzufindenden Fisch setzt sich die Oper fort. Der Kohlenfisch (oder auch Black Cod oder schwarzer Kabeljau) verfügt über ein schön festes Fleisch mit feinem Geschmack und ist vor allem in Japan und Hongkong äußerst beliebt. Hier wird eine sehr schön gegarte Tranche von Zitrusfrüchten (Grapefruit und Finger Limes), Sellerie (als Püree und gebratene Julien) und einem weißen Sojaschaum (nicht auf dem Bild) begleitet. Was sich wenig zunächst wenig kohärent anhört, entpuppt sich als wunderbare Harmonie. Das milde Selleriepüree unter dem Fisch harmoniert beachtlich gut mit den pfeffrig frischen Finger Limes und der herben Grapefruit. Lediglich die gebratenen, intensiveren Sellerie-Julien möchten weise dosiert sein, was eigentlich auf der Hand liegt. Der Soja-Schaum verleiht dem ganzen noch etwas Würze und gepoppter Reis sorgt für etwas Crunch. Unbeirrbar hervorragend!
Reh - Trüffel - Artischoke
Da kommt der Hauptgang leider nicht ganz mit, nämlich Reh mit einer intensiven Trüffel-Jus und Artischocken. Die Jus ist dabei handwerklich, hervorragend, sehr intensiv im Geschmack und mit einer schönen Note von Australischem Wintertrüffel. Das offensichtlich sous-vide gegarte, sehr zarte Reh übt sich jedoch etwas in Unscheinbarkeit, da es außen herum ziemlich blass ist und leider somit keine Röstaromen abbekommen hat. Die säuerlichen Artischockenböden sind mit einem getrüffelten Salat gefüllt und zwar ganz lecker, wirken aber irgendwie auch etwas im Ensemble deplatziert, so dass der Funke leider nicht so richtig überspringt. Die himmlische Jus rettet zwar viel, aber leider nicht alles - etwas schade.
Parmesan - Aubergine - Champingnon
Der Käsegang des Abends ist dann wieder eine aromatisch sichere Bank. Leckerer Parmesan (als Chip und Schaum), luftgetrockneter Schinken, alter Balsamico, Auberginen-Scheiben und fein gehobelte Champignons. Das riecht förmlich nach einem lauen Sommerabend bei einem schönen Chianti auf dem Marktplatz von Modena. Wunderschön, aber natürlich auch sehr gefällig.
Käse vom Wagen von Affineur Waltmann
Alternativ lässt sich auch aus einer passablen Auswahl an Käseschätzen vom bekannten Käseveredler Waltmann wählen.
Kirsche - Estragon - Crumble
Vorhang auf für die Patisserie, welche beim Pre-Dessert schon einmal eindrucksvoll ein Händchen für ungewöhnliche Aromenkompositionen präsentiert. Kirsche (als Sorbet und falsche Kirsche) und Estragon (als Pesto im Tellerboden und als Creme) passen nämlich hervorragend zusammen. Dazu noch etwas buttriger Crumble und wir haben eine extrem leckere und eindrucksvolle kleine Süßspeise. Toll!
Aprikose - Heidelbeere - Zitronenthymian
Die nächste Dessertkreation ist wiederum deutlich gefälliger. Aprikose (frisch und als Sorbet), Heidelbeere (als Creme, frisch und
einer Art Meringe) und fein dossierter Zitronenthymian schmecken zwar sehr lecker, aber leider nicht wirklich spannend. Solide allemal und schön frisch!
Birne - Brioche - Ingwer
Beim zweiten Dessert bewegt sich die Patisserie ebenfalls wieder in wohlbekannten Aromenwelten. Birne (feine ausgestochene Scheiben, Eis und im Sud)
und Ingwer (kandiert und im Sud) passen natürlich gut zusammen und ein feines, saftiges Brioche ist ohnehin immer ein Selbstläufer. Natürlich schmeckt das
Dessert köstlich und ist handwerklich sehr schön umgesetzt, jedoch vermissen wir doch etwas die aromatische Friktion, welche für etwas mehr Spannung gesorgt hätte. Nichtsdestoweniger sehr
solide.
EPILOG
Petit Fours
Einige schön gearbeitete Petits Fours beenden ein konstant überzeugendes Menü.
Die jüngst geführten, kritischen Diskussionen über Tristan Brandts' Küchenstil in Blogger-Kreisen hinsichtlich diffuser Geschmacksbilder und inflationär verwendeter
Texturgeber konnten wir heute Abend absolut nicht bestätigen. In unseren Augen waren die heutigen Kreationen präzise ausgefeilt, zeitgemäß und erfrischend kreativ. Den Mut Sellerie mit
Fingerlimes und Grapefruit zu kombinieren hat schließlich nicht jeder und so manch anderer Kollege bleibt lieber in sicheren Gefilden unterwegs, was eine Diskussion über Geschmacksbilder gar
nicht erst aufkommen lässt. Wir sind sehr gespannt, wie Tristan Brandts' Reise weiter geht.
GETRÄNKEBEGLEITUNG:
Die ausgesuchte Getränkebegleitung von Jo Wessels machte durchaus Spaß war und ebenso wie das Menü keinem geographischen Fokus unterworfen. Interessant waren auch die Cocktails, welche am Tisch zubereitet wurden und sehr schön abgestimmt waren.
Getränkebegleitung des Abends (Cocktails fehlen)
Cocktail Smoky & Stormy: Wodka, Ingwer & Kartoffel
1. Gang: Makrele | Fryer's Cove, Sauvignon Blanc, Bamboes Bay, 2016 |
2. Gang: Gemüse | Valgejõe Pärlivein, Rabarberi Vahuvein, Estland |
3. Gang: Kartoffel | Cocktail Smoky & Stormy: Wodka, Ingwer & Kartoffel |
4. Gang: Spanferkel | Preisinger, Kalkundkiesel, Burgenland, 2016 |
5. Gang: Kohlenfisch | Georg Breuer, Nonnenberg Riesling, Rheingau, 2008 |
6. Gang: Reh | Louis Latour, Aloxe-Cortin La Challots 1er Cru, Burgund, 2009 |
7. Gang: Käse / Parmesan: | Degli Dei, Cavalli, Toskana, 2013 |
7. Gang: Käse / Käseauswahl | variabel / u.a. Marco de Bartoli, Vecchino Samperi Ventennale, Marsala |
8. Gang: Dessert / Aprikose | Vellich, Seewinkel Beerenauslese, Neusiedlersee, 2013 |
9. Gang: Dessert / Birne | Cocktail Birne Colada: Williams, Kokos & Zimt |
TEAM:
Tristan Brandt (mitte) & Team
FAZIT:
Tristan Brandt und sein Team nutzen das gesamte Spektrum der Musik, um tolle und abwechslungsreiche, kulinarische Werke zu komponieren - mal laut, mal etwas leiser, aber immer schön artikuliert und akzentuiert. Viele elegante Stilelemente sorgen für Wiedererkennung. Die Desserts hätten hingegen ruhig etwas dissonanter ausfallen können. So oder so, Tristan Brandt gehört zu den ganz Großen in Deutschland. Darin besteht absolut kein Zweifel.
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weitere informationen:
Adresse: | Restaurant Opus V |
6 engelhorn Mode im Quadrat, O5 9-12 | |
68161 Mannheim | |
Besuchskonditionen: | Der Besuch wurde von uns voll bezahlt |
Website: | https://www.restaurant-opus-v.de/ |
Küchenchef: | Tristan Brandt |
Öffnungszeiten: | Dienstag - Samstag: 18:00 - 22:00 Uhr |
Kosten: | 4 Gänge ab € 120,-- / 8 Gänge € 210,-- |
Weinpositionen: | ca. 600 |
Datum des Besuchs: | 28.08.2019 |
Auszeichnungen: | 2 Sterne (Guide Michelin 2019) |
18 Punkte (Gault Millau 2019) | |
5 Hauben (Der Große Guide) | |
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