Veröffentlicht am 26.01.2020
Die Gastronomie in Mannheims Shoppingzentren ist schon der Wahnsinn. Neben dem Opus V**, dem Le Corange* (Bericht folgt), nehmen wir uns heute den lässigsten Vertreter im Dreigespann der Shopping-Spitzengastronomie in der Quadrat-Stadt vor, dem Emma Wolf since 1920* in der Q6 Q7 Einkaufspassage.
Skateboard fahren und elektronische Musik sind die Steckenpferde von Dennis Maier (37), dem Küchenchef der Emma (wie man hier liebevoll sagt). Von Oma Emma hat er die Liebe zum Kochen gewissermaßen vererbt bekommen. Und obwohl hier natürlich nicht wie bei seiner Oma gekocht wird, so hat er doch die DNA ihrer Küche, Liebe, Geduld und Respekt, tief in seiner Küchenphilosophie verankert. Juan Amador war sicher ein weiterer, wichtiger Mentor während Maier's Wanderjahren. Die Wertschätzung seiner geliebten (leider mittlerweile verstorbenen) Oma Emma drückte Maier im auffällig gewählten Namen seiner kulinarischen Oase aus - mit Geburtsjahr versteht sich.
Das Credo heißt hier "Finest Bistronomy". Das wird einem spätestens klar, wenn man die Emma betritt. Die Begrüßung: von Förmlichkeit und altbekannten Floskeln keine Spur; Die Einrichtung: eng, lässig, kein Schnick Schnack, viel Holz, etwas Industrial-Look und Designer-Lampen mit warmem Licht. Alles andere würde in einem Foodcourt im Untergeschoss eines Einkaufszentrums zwischen Stullenküche und asia hung auch deplatziert wirken.
Das Angebot reflektiert ebenfalls die notwendige Zwanglosigkeit des Standorts: Mittagstisch (2 Gänge inkl. Espresso und Wasser / € 35,--), Ricebowls to go (€ 12,--). Natürlich buhlt man aber auch gleichzeitig um Feinschmecker und Teilzeit-Gourmets mit einem 5-Gang-Menü (€ 99,--) und abgestimmter Weinreise (€ 55,--). Diese Mischung aus Alltagstauglichkeit und spitzengastronomischen Erlebnis findet man leider viel zu selten.
Die Karte präsentiert bekannte Produkte in kreativen Kombinationen. Wenig Asien eher Nordeuropa und Frankreich und alles sehr interessant. Wir wählen einen maximal großen Querschnitt durch alle Gerichte und erweitern das angebotene Menü um ein paar zusätzliche Gerichte.
Chicorée - Steinpilz
Kaviar - Blumenkohl
Auster - Gurke - Ponzu - Dill
Die ersten Apéros erreichen uns nach wenigen Minuten. Ein Chicorée Blatt mit feinen Steinpilz-Scheiben und etwas Säure ist hierbei ebenso schmackhaft wie kreativ und belebt den Gaumen gekonnt mit feiner azider Bitternote und feinen, erdigen Aromen.
Ein feiner Filot-Teig-Cracker mit Blumenkohl und Kaviar-Topping ist ebenfalls sehr schön und über jeden leisesten Zweifel erhaben. Genauso wir die eine frische Auster, welche mit knackiger Gurke, Dillöl und etwas Ponzu raffiniert verfeinert wurde. Ein bemerkenswert souveräner Einstieg in den kulinarischen Abend.
Blaue Garnele - Tapioka - Rettich
Das Amuse Bouche mit blauer Garnele, Tapioka und Rettich ist ebenfalls eine gelungene, leichte Einstimmung.
Bachforelle - geräucherte Creme Fraiche - Rotkohlsaft
Das Menü beginnt mit einer interessant subtilen Vereinigung von nordeuropäischer und japanischer Küche. Eine gebeizte Bachforelle wird als Mosaik, mit geräucherter Creme Fraiche und Forellenkaviar auf sauer eingelegten Kartoffelscheiben gebettet. Hinzu kommt eine Art Vinaigrette aus Rotkohlsaft, welcher mit Dashi etwas Körper verliehen wurde. Diese Kombination mündet in einem feinen Aromen- und Texturenspiel, welche von der prägnanten Säure der mit etwas Umami angereicherten Vinaigrette, den knackigen Kartoffeln und dem fettig-cremigen Schmelz der Creme Fraiche und dem zarten Fisch. Nicht nur optisch ein hervorragendes Gericht.
Hokkaido-Kürbis - Granny Smith - Koriander
Die nächste Kreation überzeugt uns sogar noch mehr. Von der filigran geformten Blüte aus süß-saurem, bissfestem Hokkaido-Kürbis-Streifen mit knackigen Kürbiskernen und einer sensationellen Emulsion aus Granny Smith, Koriander - und Kürbiskernöl sind wir derart begeistert, dass wir das Gericht direkt nochmal bestellen. Das liegt vor allem an der knackigen Säure des grünen Apfels, welches dem Gericht eine animierend belebende Frische einhaucht. Die Nussigkeit des Kürbiskernöls, welches auch als feine Mayonnaise verarbeitet zu finden ist, gepaart mit dem charakteristisch seifig, grünen Korianderöl und etwas umamireichen Pilz-Pulver ergänzen das Ensemble zu einer der eindrucksvollsten und erinnerungswürdigsten vegetarischen Kreationen, welche wir je hatten.
Jakobsmuschel - Kalbskopf - Radieschen (Variation 1)
Jakobsmusche - Kalbskopf - Radieschen (Variation 2)
Es geht ohne Klischees weiter, nämlich mit 2 unterschiedlichen Interpretationen von Jakobsmuschel und Kalbskopf. Beide Gerichte werden in einem zweiteiligen Teller übereinander serviert - oben kalt, unten warm.
Oben auf, liegt die Jakobsmuschel als fein aufgeschnittenes Sashimi in einem säuerlichen Sud, mit frischen Radieschen und einer frittierten Kalbskopf-Praline. Das schöne Spiel zwischen Frische und Herzhaftigkeit ist durchaus kurzweilig und dementsprechend schnell verputzt.
Unten wird es umso intensiver. Hier ist die Jakobsmuschel gebraten und wird mit einem Kalbskopf-Ragout und gepickelten Radieschen serviert. Das erste richtig warme Gericht an diesem Abend punktet vor allem mit der perfekten Abstimmung beider Hauptkomponenten und ist ebenfalls stimmig und toll umgesetzt.
Kabeljau - Kräuterspinat - Muschelsud - Enoki-Pilze
Geniale Brasserieküche verspricht dagegen der nächste Gang: Kabeljau, Kräuterspinat, Muschelsud und Enoki-Pilze. Und dieses Versprechen hält er locker. Das Gericht ist schlichtweg sensationell. Wunderbar süffig, durch die sündhaft exzellente Muschel-Beurre Blanc - schön salzig und wohlig warm. Der perfekt gebratene Fisch und das zarte Muschelfleisch machen das Gericht zu einem Soulfood-Gericht, welches man den ganzen Abend essen könnte.
Hühnerherz - Schwarze Johannisbeere - Topinambur
In einem Martini-Glas folgt die unorthodoxe Kombination aus Hühnerherz, Schwarze Johannisbeeren und Topinambur zum Löffeln. Im Grunde ist das Gericht simpel gestrickt: süßliches Topinambur-Püree wird geschickt im der Säure der schwarzen Johannisbeeren ausbalanciert und mit herzhaftem Hühnerherz elegant kontrastiert. Eleganter und kurzweiliger Einschub.
Onglet - Zwiebel - Dill - Eiszapfen
Der Hauptgang wartet dann mit Onglet vom U.S.-Beef (auch als Hanging Tender bezeichnet) auf. Der viel zu selten in Deutschland servierte Cut, wird subtil von glasierten Eiszapfen, Schalotten, Dill, Senfkörnern und einer Jus begleitet. Das Gericht schmeckt, als hätte Oma Emma persönlich den Kochlöffel geschwungen: klassisch, herzhaft und ohne interkontinentalen Brückenschlag nach Asien. Ein unverkopfter, toller Fleischgang.
Schwarze Johannisbeere - Ziegenmilch - Birne
Der süße Teil des Menüs beginnt mit einem Eis aus Ziegenfrischkäse, welches mit Johannisbeertexturen (Püree, Gel und Chip) und eingelegter Birne kombiniert wird. Je nach Zusammenstellung des Löffels changiert der Geschmack zwischen Käsegang und Dessert, da die intensive Stallnote des Ziegenkäses immer präsent ist - mal stärker mal schwächer, je nach Proportionierung. Sehr schön.
Salzkaramell - Joghurt - Kirsche - Nougat
Für diejenigen, welche einfach Lust auf unkompliziertes Wohlfühldessert haben, haut die Küche noch eine herrlich cremige, hemmungslose Nachtischbombe raus. Ein Joghurt-Eis, welches auf einem üppigen Salzkaramell-Mousse drapiert ist und von Nougat-Crumble und Kirschgel begleitet wird. Friktion = 0; Wohlgeschmack = 100. Kurzum: ein superleckerer Abschluss!
Anstatt der jetzt üblichen Petit Fours, nehmen wir uns lieber noch den Emma Wolf-Signature Gin (als Gin-Tonic) vor. Auch als Digestif eine sehr gute Wahl , klassisch, ehrlich und "ohne Firlefanz", eben wie bei Oma.
Das zwanglose Ambiente trägt ebenfalls dazu bei, den Absacker gleich hier zu trinken, denn Bar kann die Emma natürlich auch. Der herzliche, lockere Service trägt einen nicht unerheblichen Teil hierzu bei. Wir ziehen den Hut vor der Cooking Gang und dem Konzept. Wir kommen definitiv wieder, so viel ist sicher.
DAS TEAM:
Dennis Maier (vierter von rechts) & Cooking Gang
FAZIT:
Pflichtprogramm in urbanem Flair im Stadtquartier. In der Emma tischt die Cooking Gang locker auf und serviert tolle, saisonale Kreationen auf beeindruckendem Niveau - niemals langweilig, immer clever, kreativ und mit vertrauten Geschmacksbilder als Hommage an die Namensgeberin.
weitere Informationen:
Adresse: | Emma Wolf since 1920 |
Stadtquartier Q 6 Q 7 | |
68161 Mannheim | |
Homepage: | https://www.emmawolf1920.com/ |
Öffnungszeiten: | Mi.-Sa.: 12:00 - 14:00 h / 18:00 - 22:30 h |
Chef de Cuisine: | Dennis Maier |
Besuchskonditionen: | Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt |
Kosten: | 5-Gang-Menü: € 99,-- / à la carte Hauptgänge € 27,-- bis € 39,-- |
Weinbegleitung 5 Gläser: € 55,-- | |
Datum des Besuchs: | 17.10.2019 |
Auszeichnungen | 1 Stern (Guide Michelin 2020) |
16 Punkte (Gault Millau 2020) | |
3 Hauben (Der Große Guide) | |
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