Veröffentlicht am: 04.12.2020
Mit "Freude am Fahren" spricht BMW seine autobegeisterte Kundschaft an. Wer die Münchner BMW-Welt in den Abendstunden betritt, könnte dies auch genauso gut aus reiner Begeisterung für Kulinarik tun. Seit mittlerweile über 7 Jahren verwöhnt der bekannte Spitzenkoch Bobby Bräuer seine Gäste hier im 3. Stock im Restaurant EssZimmer. Wir haben das Restaurant vor einigen Monaten besucht.
BMW-Welt, München
EssZimmer-Außenansicht
Futuristisch und architektonisch eindrucksvoll thront die BMW-Welt, BMWs imposanter Showroom und Auslieferungszentrum, direkt am Olympiapark unweit des Firmenhauptsitzes. Wer hier her kommt, hat entweder Benzin im Blut oder einen Faible für Kulinarik - im besten Fall beides. Premium-Autos und Spitzengastronomie passen schließlich wunderbar in den urbanen Lifestyle.
Doch ganz so einfach ist es leider nicht. Denn nur wenige Autokunden verweilen bis zum Abend in BMWs imposanten Repräsentationshaus, um Abends das mit zwei Michelin-Sternen dekorierte, kulinarische Flaggschiff der BMW Welt-Gastronomie, das EssZimmer**, zu besuchen. Das müssen sie auch nicht, denn hier hält die Käfer Feinkost-Gastronomie mehrere weitere Optionen bereit. Von feiner französischer Brasserie-Küche mit regionalem Produktfokus (Bavarie), über die Biker's Lodge, bis zum Hot Dog-Wagen am Nordeingang. Alle Konzepte mit knapp 90 Mitarbeitern werden kulinarisch von einer Person verantwortet: Bobby Bräuer (59).
Der prominente Spitzenkoch und gebürtige Münchner folgte 2012 dem Ruf in die Heimat zurück, nachdem er in Kitzbühel im Hotel Grand Tirolia Golf & Ski Resort als kulinarischer Leiter und Küchenchef viel Aufmerksam erlangte. Der Gault Millau krönte Bräuer zu Österreichs Koch des Jahres 2012. Zuvor war Bräuer u.a. in Berlin, Düsseldorf tätig, war Sous-Chef im Münchner Kult-Restaurant Aubergine*** unter Jahrhundert-Koch Eckardt Witzigmann und lernte sein Handwerk bei Spitzenkoch Otto Koch. Später sollte er mit einem ironischen Schmunzeln im Interview sagen, dass Otto Koch ihn geprägt und Eckardt Witzigmann ihn gezeichnet habe - bezugnehmend auf ein Zitat Witzigmanns. Mittlerweile sind die beiden gute Freunde.
Bobby Bräuer hat seine Gourmet-Oase , das EssZimmer**, gewissermaßen zu seinem Wohnzimmer erklärt und erwartungsgemäß binnen weniger Jahre 2 Michelin-Sterne, 18 Gault Millau-Punkte und 5 Hauben im Großen Guide für das Restaurant erkocht.
Gastraum
Gastraum und Weinregal
Direkter Blick auf den Showroom
Auch wenn die Außenfassade des Restaurants eher kühl wirkt, so gleicht Design des Gastraums wahrlich einem Wohnzimmer. Gemütlich und stilvoll, kräftige, rotbraune Holztöne, Vitra-Möbel, ein Kamin und diverse Regale mit gelungener Dekoration in warmer, natürlicher Beleuchtung. Der meterhohe Weinschrank ist ebenfalls ein echter Hingucker. Die Küche ist das zentrale Element des Restaurants und ist auch für den Gast über Fenster direkt einsehbar. Autobegeisterte können direkt an der Glasfront Platz nehmen, über BMWs Showroom blicken und beobachten, wie Autos für den Folgetag platziert werden. Stylisch violett beleuchtete Plantcubes im Eingangsbereich mit selbst angebauten Micro-Leafs und Kräutern suggerieren schon, dass viel wert auf Produkte gelegt werden.
Coronabedingt bietet das Restaurant derzeit nur ein Menü an, welches sich klar zu regionalen Hauptprodukten bekennt und sie auf Augenhöhe mit internationalen Spitzenprodukten in die Menüfolge einbettet. Wir freuen uns sehr auf die nun folgenden sieben Gänge und auf die Wein von Restaurantleiter und Spitzen-Sommelier Frank Glüer.
Apéros
Pilzdashi
Zur Einstimmung werden direkt vier minutiös zubereitete, kleine Küchengrüße serviert. Ein Cracker aus krosser Schweinehaut mit Curry-Auberginentartar und eingelegter, roter Paprika, eine kleine Quiche mit Zandertartar und Seeigel-Mayonnaise und ein Porzellanschiffchen mit geflämmten Aal, gelbem Rettich und Stachelbeere. Zusätzlich gibt es noch einen kochend heißen, umamireichen Pilzdashi mit feinen Enoki-Pilzen. Ein wunderbarer Einstieg mit geschicktem Spagat zwischen feingliedriger Eleganz und harmonischer Rustikalität.
Kräuer-Chawanmushi - Markklößchen
Bevor das offizielle Menü beginnt, schickt die Küche noch einen kleinen Gruß. Ein Kräuter-Chawanmushi mit einem heißen Mark-Klößchen. Der lauwarme, herrlich cremige, japanische Eierstich wurde geschickt mit heimischen Kräutern aromatisiert und hervorragend umgesetzt und weckt spontan Assoziationen an frisch gemähte Sommerwiesen. Das ist Fusion-Küche auf höchstem Niveau.
Saibling - Karotten - Mandeln - XO
Der erste Gang bedient sich bereits einem typischen Bräuer-Stilelement, nämlich der Kombination von regionalen Hauptprodukten mit asiatischen Geschmackswelten. In diesem Fall ein wunderbar festfleischiger, leicht pochierter Seesaibling mit Karotten-Texturen und einer XO-Sauce. Knackige, blanchierte und geröstete Mandeln, bereichern nicht nur die texturelle Ebene, sondern sind auch geschmacklich das letzte, elegante i-Tüpfelchen. Die XO-Sauce wurde klassisch aus getrockneten Meeresfrüchten gekocht, aber in ihrer Intensität so geschickt gezügelt, dass sie dem Saibling noch vollständig die Bühne überlässt. Die süßlich erdige Karotte und junger Spinat mit Mandelvinaigrette sind das ideale Match dazu. Grandiose Komposition.
N25 Kaviar - Geräucherter Stör - Blumenkohl - Sellerie
Weiter geht es mit Kaviar vom Münchner Kaviar-Händler und Veredler N25. Eine großzügige Nocke des Kaviars von herausragender Qualität wurde auf ein Bett aus geräuchertem Stör drapiert und mit einer geeisten Blumenkohlsuppe am Tisch angegossen. Hinzu gibt es ein paar à part gereichte Spielereien, wie Blumenkohl-Couscous und einem, in Tempurateig frittierten, Blumenkohl-Röschen. Insgesamt ein eher leiser Gang mit souveränem Aromenspiel, welches geschickt zwischen feiner Kohligkeit, Nussigkeit, Jod und dezenten Räuchernoten changiert. Absolut überzeugend.
Bretonische Langoustine - Vanille - junger Lauch - Zitrusfrüchte
Wir verlassen das erste Mal die Region. Jetzt bedient sich Bräuer aus der bretonischen Produktschatzkiste und präsentiert eine wunderschöne Langoustine in beeindruckender Kalibrierung. Hinzu kombiniert er ein himmlisch feines und cremiges Lauch-Püree, verschiedene Zitrusfrucht-Filets, sautierte Pfifferlinge und einen hinreißenden Krustentierschaum, welcher mit Vanille abgeschmeckt wurde. Das ist nicht nur unheimlich elegant, sondern auch voller aromatischen Feinsinn. Unverbesserlicher Wohlgeschmack mit Gänsehautpotenzial.
Sankt Petersfisch - Rote Beete - Spitzkohl - Saure Sahne
Auch eine Neuinterpretation des osteuropäischen Suppenklassikers Borschtsch gelingt der Küche hervorragend. Die Borschtsch erinnert hierbei eher an eine Consommé mit Gemüseeinlage und schmeckt wunderbar ausgewogen zwischen kohlig, süßlich und erdig. Hinzu kommt eine schneeweise Tranche Petersfisch, welche sich mit ihrem feinen Geschmack wunderbar in dieses, beinahe schon winterliche Geschmacksbild einklinkt. Ein großzügiger Klecks saure Sahne (Smetana) liefert noch etwas Säure und die willkommene Üppigkeit. Eleganter lässt sich dieses traditionelle Gericht wohl kaum auf den Teller bringen. Genial.
Kalbsniere - Pastilla - Hokkaido - Dattel
Kalbsniere begegnet man eher selten auf den Speisenkarten von urbanen Spitzenrestaurants, was sicher an ihrem eher speziellen, etwas an Urin erinnernden, Geschmack liegt. Bräuer serviert sie, komplett von ihrem Fettmantel befreit und sautiert. Dazu kombiniert er kontrastreich die marokkanischen Spezialität Pastilla. Der, in knusprigen Filot-Teig eingeschlagene, Gewürzkuchen mit feinen nordafrikanischen Aromen, wie Zimt, Kurkuma und Safrannote eine maximal stimmige Begleitung zur Niere. Und auch feinsäuerlicher Hokkaido-Kürbis und süße Dattel sind geschickte, harmonisierende Ergänzungen, um auch mittelschwere Nierenphobiker mittels Konfrontation zu heilen. Trotzdem wird auch nicht versucht, den charakteristischen Nierengeschmack vollständig zu camouflieren. Ein tolles Beispiel, wie man Innereien zugänglich und souverän in ein Menü einbinden kann. Fernab jeder Vergleichbarkeit und schlichtweg hervorragend.
Milchlamm von Franz Riederer - Curry Anapura - Gartengurke - Couscous
Mit butterzarten Lamm aus Niederbayern geht es weiter, genauer gesagt mit Milchlamm von Franz Riederer vom Gutshof Polting. Diese hervorragende Zutat ist mittlerweile nicht mehr aus der deutschen Spitzengastronomie wegzudenken - zurecht. Das intensive, mürbe Fleisch unterstreicht Bräuer mit wirkungsvollen Minimalismen, in dem er dem ganzen eine feine, eher milde Indische Curry-Note "Anapura" aus der Gewürzschmiede Ingo Hollands, Gartengurke (eingelegt und gegrillt, sowie als Art Carpaccio), eingelegte Paprika-Tropfen, und einer Nocke Couscous kombiniert. Interessanterweise stört uns die Abwesenheit von Röstnoten beim Lammrücken hier nur marginal, was an dessen wunderbar intensiven Geschmack und der hervorragenden Anapura-Curry-Jus liegt. Die indische Geschmackswelt wird wunderbar mit der Gartengurke kontrastiert. Ein Gericht wie eine sanft gezupfte Sitar-Melodie in einer lauen Sommernacht, wohlig und trotzdem voller Energie.
Aprikose - Lavendel - Rollgerste - Weizengras
Das pré-Dessert leitet den süßen Teil des Menüs mit einem Délice von Aprikose und Lavendel ein. Beiden Zutaten sind wir saisonbedingt häufiger in letzter Zeit begegnet, jedoch nie in Kombination. Die frische Säure der Aprikose (als Sorbet, eingelegte Früchte, und angegossener Sud) und das Parfüm des Lavendels (als Crème) passen sehr schön zusammen. Süßes Weizengras und knusprige Rollgerste (Graupen) für den Biss sind schlüssige Mitspieler und sorgen für ein kurzweiliges, süß-saures Wechselspiel. Ein starker Auftakt der Patisserie.
Waldbeere - Holunder - Zitronenmelisse - Opalis
Auch das Hauptdessert ist hervorragend gelungen und kombiniert süß-saure Waldbeeren mit floralen, ätherischen Noten von Holunder und Zitronenmelisse mit weißer Opalis-Schokolade. Ein geradezu leichtfüßig wirkender Abschluss, welcher geschickt zwischen Fruchtsäure, Blumigkeit und Süße ausbalanciert wurde. Auch hier kehrt der Sommer ins Gemüt zurück. Originell, elegant und wunderschön anzusehen.
Petits Fours
Kreative Petits Fours (u.a. Apfel-Basilikum-Praliné, ein Gelee von "verlorenen Beeren" oder ein Quittentee) vollenden ein wunderbares Menü, welches in seiner Gesamtheit keine Schwächen offenbarte, voller feinsinniger Überraschungen strotzte und trotzdem unaufgeregt und gelassen wirkte. Die Handschrift Bräuers ist sicher eine der profiliertesten der Republik und zeigt eindrucksvoll, dass das geschickt gewählte "Stilmittel" Rustikalität, eleganten Kreationen zusätzlich Tiefe verleihen kann. Hier sind wir definitiv zum Wiederholungstäter geworden. Wiederschaun' und Pfiat di!
Alkoholische Getränkebegleitung
Restaurantleiter und Sommelier Frank Glüer bescherte uns eine herausragende Weinbegleitung, was insbesondere daran lag, dass nicht nur auf Harmonie gesetzt wurde, sondern kleine, markante Ecken und Kanten tolle Kontrastpunkte zu den Gerichten setzten.
Weinbegleitung
Aperitif: | Roger Pouillon et Fils, Champagne Brut Réserve |
1. Gang: Saibling | Peter Jakob Kühn, Landgeflecht Unikat, Riesling trocken, Rheingau, |
2. Gang: N25 Kaviar | Domaine de la Pépière, Clisson, Loire, |
3. Gang: Langoustine | Knewitz, Chardonnay Réserve, Rheinhessen, 2017 |
4. Gang: Saint Pierre | Domaine L'Anglore, Tavel AOC, Cuvée, Rhône, 2016 |
5. Gang: Kalbsniere | Hansjörg Rebholz, Spätburgunger "R" vom Muschelkalk, Pfalz, 2015 |
6. Gang: Lamm | Domaine Peyre Rose, Clos de Cistes, Cuvée, Languedoc-Rousillion, 2006 |
7. Gang: Dessert | Weingut Stigler, Spätburgunder, Freiburger Schlossberg, Baden, 2013 (ohne Bild) |
Das Team
Bobby Bräuer (links) mit Team
Fazit
Bobby Bräuer & sein junges Team servieren in tollem Ambiente eine exzellent profilierte und hochspannende Küche mit Erinnerungsgarantie. Eine Küche, welche so weltoffen, elegant und modern ist wie München selbst und zugleich eine eindrucksvolle Hommage an die Ursprünglichkeit und Rustikalität des Umlands. Kurzum: Sensationell!
weitere informationen:
Adresse: | EssZimmer (in der BMW-Welt) |
Am Olympiapark 1 | |
80809 München | |
Webpage: | https://www.feinkost-kaefer.de/esszimmer-muenchen |
Öffnungszeiten: | Dienstag - Samstag ab 19:00 Uhr |
Chef de Cuisine: | Bobby Bräuer |
Datum des Besuchs: | 17.07.2020 |
Besuchskonditionen: | Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt |
Kosten: | Menüs: ca. € 150 - 195 € |
Auszeichnungen: | 2 Michelin Sterne (Guide Michelin 2020) |
18 Punkte (Gault Millau 2020) | |
5 Hauben (Der Große Guide 2020) | |
Copyright by les étoiles |