Veröffentlicht am 24.02.2021
Eine spätklassizistische Stadtvilla in Saarbrücken beherbergt eines der hochdekoriertesten Restaurants Deutschlands und einen Wallfahrtsort für internationale Essbegeisterte. Über Klaus Erfort und sein bekanntes Gästehaus wurde schon viel berichtet und trotz seiner fast zwanzigjährigen Erfolgsgeschichte, ist sein Restaurant immer noch ein Solitär und Vorreiter in Deutschlands Spitzengastronomie. Wir hatten Ende August die Gelegenheit einer beeindruckenden Momentaufnahme. Hier ist unser Bericht.
Außenansicht
In der Spitzengastronomie arbeiten und am Wochenende frei haben? Klaus Erfort hat genau das vor einem Jahr für seine Mitarbeiter eingeführt. Sein Restaurant ist seit Anfang 2020 nur noch von Montag bis Freitag geöffnet (mittags und abends). Auch wenn dieser Schritt sicherlich zunächst gewagt erscheint, geht der Plan auf. Das Restaurant ist immer sehr gut gebucht und am Montag im weiten Umkreis das einzige dieser Kategorie, welches geöffnet ist.
Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist ein attraktiveres und interessanteres Arbeitsumfeld mit verbesserter Work-Life-Balance für Mitarbeiter sicherlich ein sinnvolles Entgegensteuern und ermöglicht neue Perspektiven. Bisher ist Erfort hier alleiniger Vorreiter.
Dass das Restaurant in der schicken Saarbrücker Stadtvilla mit schöner Parkanlage da ist, wo es ist, ist sicher auch seiner kontinuierlichen Weiterentwicklung zu verdanken. Seit über zehn Jahren kann es sich zudem mit den Höchstbewertungen von 3 Michelin-Sternen (seit 2008) und 19 Punkten im Gault Millau (seit 2011) schmücken. Bekannte, mittlerweile hochdekorierte Küchenchefs, wie Jan Hartwig, Thomas Schanz oder Stefan Krogmann verbrachten hier ihre Wanderjahre und wurden von Erforts' Küchenstil beeinflusst.
Gastraum-Impressionen
Eigentlich hatten wir gehofft, auf der schönen Terrasse mit Parkblick sitzen zu können. Leider macht uns das wechselhafte Wetter an diesem Spätsommertag einen Strich durch die Rechnung.
Der elegante, lichtdurchflutete Gastraum lässt uns die kurzzeitige Enttäuschung schnell vergessen. Ein großer Saal mit bodentiefen Fenstern, warmem Parkettboden und farblichen Akzenten, Blumengestecken und dezenten, monochromen (anthrazit-weißen) Wandbildern sorgen für ein stilvolles und unaufgeregtes Ambiente. Wir nehmen im Nebenraum mit Blick auf die Parkanlage Platz. Während bereits der Bérêche & Fils Champagne Brut Reserve in unseren Gläsern perlt, entscheiden wir uns voller Vorfreude für das komplette Programm (7 Gänge - € 205,--). Los geht's.
Gänseleber - Filot-Teig - Kirsche
Flammkuchen - Blutwurst - schwarzer Trüffel
Gurkensalat-Sphäre
Kräuter-Macaron - Lachs
Zum Aperitif folgt bereits eine wunderbare Auswahl an kleinen Petitessen. Der Gänseleber-Terrinen-Würfel zwischen zwei knusprigen und buttrigen Filot-Teigblättern und fruchtig-säuerlichem Kirschgel ist nicht weniger als sensationell, ebenso wie der wunderbar herzhafte Miniatur-Flammkuchen mit Blutwurst und schwarzem Trüffel. Eine frische Sphäre von Gurkensalat gibt am Gaumen einen wunderbar authentischen Geschmack nach Essig, Dill und Gartengurke preis. Und ein Kräuter-Macaron mit gebeiztem Lachs ist ebenfalls kurzweilig und hervorragend gelungen.
Auster - grüner Apfel - Soja-Sesam-Vinaigrette
Ein weiterer, kleiner Gruß ist eine Kreation mit Auster und grünem Apfel. Hierzu wurde eine frisch, ausgelöste Auster von hervorragender Qualität in einer Art asiatischer Vinaigrette aus Sojasauce und Sesamöl gebadet und mit einem frischen Apfel-Espuma nappiert. Die Zutatenkombination mündet in einer wunderbaren Geschmackswelt mit jodiger, fleischiger Auster, asiatischen Akzenten und frischer Säure. Auch dieser Snack ist eine wahre Gaumenfreude!
Mille-Feuille von Foie Gras, Langoustine, Sellerie & Avocado
Die Küche grüßt ein letztes Mal mit einem Mille-Feuille aus Foie Gras, roh mariniertem Kaisergranat (Langoustine), Sellerie und Avocado. Hinzu kommt eine Koriander-Rote Beete-Vinaigrette, Algenmarmelade und etwas Gänseleber-Crumble. Neben dem wunderbaren Texturenspiel und den wiederum sensationellen Produktqualitäten, fächern Klaus Erfort und Team ein enorm raffiniertes Geschmacksspektrum auf, welches zwischen grünen und erdigen Noten, der feinen Nussigkeit der Langoustine und der Üppigkeit der Gänseleber wunderbar feine Kontrastlinien zieht. In Verbindung mit dem Wechsel zwischen knackig (Sellerie) und dem zarten Schmelz von Avocado und Foie Gras haben wir hier die nächste Sensation.
Bretonischer Hummer - Tomatengelee - Burrata - Basilikum
Es geht ebenso famos weiter. Im nächsten Gang verbindet die Küche bretonischen Hummer von herausragender Qualität mit einem Italienischen Antipasti-Klassiker. Unkonventionell und völlig auf den Punkt dienen die kühlen, festen Hummerschwanzstücke als Podest für eine Scheibe Ochsenherztomate, cremigen Burrata und weißem Tomatengelee. On Top sorgen ein paar Tupfen Basilikum-Mayonnaise sowie ein Basilikum-Eiweiß-Sud für die endgültig perfekte italienische Geschmackswelt. Das ist beeindruckende Produktküche und Wohlgeschmack auf den Punkt gebracht. Diese Unverkopfheit ist ganz nach unserem Geschmack und in seiner Perfektion kaum sonst wo anzutreffen. Chapeau!
Medaillon vom Steinbutt - Caviar-Beurre-Blanc
Die bretonische Produktschatz-Armada wird mit einer goldbraun gebratenen Tranche Steinbutt fortgeführt. Ein präzise gearbeitetes Röllchen, welches mit Spitzkohl und kleinen Pfifferling-Stückchen gefüllt und eingelegtem Rettich umhüllt wurde, bildet die stimmige Entourage. Der Clou an diesem Gericht bildet die wohl luxuriöseste Caviar-Beurre Blanc, welche uns seit langem serviert wurde. Der bereits perfekt balancierte Wohlgeschmack von Butter, Säure und Salz wird zusätzlich mit der Jodigkeit und Nussigkeit einer enormen Menge AKI Imperial Kaviar Klaus Erfort Selektion in unsere persönliche Soßen-Hall of Fame aufgenommen. Der dosierte Einsatz vom Piment d'Espelette rundet die Kreation zusätzlich elegant pikant ab. Das geht kaum besser und ist die erneute Bekundung der Perfektion des Wesentlichen.
Langoustine auf Meersalz gegart - Artischoke - Tomate
Weiter geht es mit einem der Klassiker aus Erforts' Küche: Langoustine auf Meersalz gegart. Hierzu werden die Langoustinen in Referenzqualität mit Aromaten (Thymian, Rosmarin, Ingwer, Limonenblatt und Chili) auf einem Bett aus Meersalz, in einem Gusstopf mit Deckel, kurz und saftig gegart. Zwei gegrillte Stangen Frühlingslauch, Poweraden, konfierte Datteltomaten und ein wunderbarer, säurebetonter Artischocken-Sud ergänzen das Gericht fantastisch leicht und souverän. Einfach magisch und magisch einfach - auch hier lassen sich kaum geeignete Worte finden. Himmlisch!
Königskrabbe auf Holzkohle gegart - Bouillabaisse-Püree
Es folgt noch ein weiteres edles Krustentier: Königskrabbe aus Norwegen. Erfort umgibt ein saftig-zartes Stück, welches über Holzkohle gegart wurde, mit Venusmuschelschaum, Bouillabaisse-Püree und Basilikumöl. Durch das feine Grillaroma bekommt das Krabbenfleisch einen intensiveren Geschmack und verträgt sich wunderbar mit dem feinen Püree und dem milden Schaum. Der aromatische Twist mit frischen und leicht bitteren Noten des Basilikumöls gefällt uns ebenfalls hervorragend, da es die Aromatik des Gerichts ohne den Hauch einer Komplikation elegant unterstreicht. Wunderbar!
Schnitzel vom Kalbsbries - Pfifferlinge - Kartoffelmousseline
Dagegen strotzt der nächste Gang geradezu vor Kraft und unkomplizierten Wohlgeschmack. Ein Schnitzel vom Kalbbries mit perfekter, goldbrauner Panierung thront in einer luftigen Kartoffelmousseline, welche von einem Saucenspiegel aus intensiver Truffeljus umgeben ist. Makellose, sautierte Pfifferlinge wie aus dem Bilderbuch krönen die Kreation. Auch hier reichen lediglich vier Komponenten von herausragender Qualität und Handwerk, um an absoluter Perfektion zu kratzen. Idealgeschmack und Seelenfutter auf nahezu einmaligem Niveau. Einmal mehr sensationell!
Bayrischer Rehrücken - Feige - sautierte Steinpilze - Sellerie
Der Hauptgang behält die Intensität mühelos bei und wartet klassisch mit Rehrücken aus Bayern, Portweinfeige, Feigenmarmelade, sautierten Steinpilzen und Sellerie in zwei Zubereitungen (paniert in Haselnusskrokant und als Püree). Eine Purple Curry Jus frischt die Kreation aromatisch etwas auf und entschlackt mit feinsäuerlicher Note. Die Kombination ist natürlich weder neu, noch besonders innovativ, jedoch wieder in beeindruckender Perfektion auf den Teller gebracht. Chapeau!
Wagyu Beef - Soba Nudeln - Ramen - Trüffel
Beinahe überraschend schlägt Erfort beim alternativen Hauptgang die Brücke nach Japan und serviert Wagyu Beef, Soba Nudeln, Buchenpilze, Kartoffelmousseline und eine großzügige Portion schwarzer Trüffel. Ein „Ramen“-Sud, welcher großzügig eingegossen wird, komplettiert die eigene Interpretation einer Ramensuppe. Die umamireiche, heiße Brühe auf Kalbsfondbasis mit subtilen Anklängen von Zitronengras, Miso und Ingwer ist schon für sich genommen bereits eine Offenbarung. Zusammen mit dem schwarzem Trüffel, den Buchenpilzen, dem zarten Fleisch und der Kartoffelcreme entsteht ein intensiv-soßig, schlotziges und tiefbefriedigendes Aromenfeuerwerk, welches sich letztendlich doch eher in Frankreich, als in Fernost verorten lässt.
À part wird noch ein prächtiges, rosa gebratenes Stück Wagyu-Rücken mit Zwiebelmarmelade und Pfifferlingen serviert. Überragend!
Brombeere - Lychee - schwarzer Tee
Die Patisserie eröffnet den süßen Teil des Menüs mit dem ersten Dessert. Die fruchtig-herbe Kreation von schwarzem Tee mit säuerlicher Brombeere und floral-süsslicher Lychee ist nicht nur ausnahmslos hübsch anzusehen, sondern auch geschmacklich hervorragend. Das liegt nicht zuletzt an einer feinen Honignote, welche der Süßspeise zusätzlich weitere Tiefe verleiht. Wir sind jetzt definitiv angefixt und freuen uns auf das Hauptdessert.
Mirabelle - Kalamansi - Verbene
Als süße Finale folgt ein Delicé von der Mirabelle mit Kalamansi und Verbene. Die Kalamansi wurde als knusprige Cannelloni und kühles Sorbet verarbeitet und sorgt für den frische-herben Säurekick und schönen Kontrast zur süßen Mirabelle und einer üppigeren, süßen Crème. Die angenehm zitronige Verbene tänzelt leichtfüßig auf jeder Gabel mit. Ein wundervoller Abschluss des Menüs.
Petits Fours
Vorzügliche Petits Fours schließen eines der beeindruckendsten Menüs des letzten Jahres ab. Klaus Erfort gehört zweifellos zu den Besten. Seine Küche brilliert mit perfekten Produkten, exemplarisch französischer Basis, klaren Konturen und einem - ihm wahrlich eigenen - Purismus, welcher in seiner Unverkopftheit unverbesserlich ist.
Auch das gesamte Serviceteam um Restaurantleiter Christian Heilemann sorgte professionell und charmant für eine maximal angenehme, lockere Atmosphäre.
Es gibt sie nicht immer: Die Momente, in welchen man mit vollkommener Zufriedenheit und in Gedanken schwelgend ein Restaurant verlässt. Großen Respekt an das gesamte Team und Klaus Erfort! Wir werden dieses Fest bei nächster Gelegenheit wiederholen, soviel ist sicher.
Alkoholische Getränkebegleitung
Christian Heilemanns' ausgesuchte Weinbegleitung, welche wir mittags lieber etwas reduziert gehalten haben, war ebenfalls ein kurzweiliges und schön ausgewähltes Vergnügen.
Weinbegleitung
Aperitif: | Laurent Perrier Cuvée Rosé Brut (ohne Bild) / Bérêche & Fils Champagne Brut Reserve AOP |
Vorspeisen /Zwischengänge: | Komokabras, Lias, Vina da Terra de Barbanza e Iria, Spain, 2018 |
Hauptgang: | Domaine Roblet-Monnot, Volnay, Bourgogne, France, 2006 |
Dessert: | Weingut Forstmeister Geltz, Riesling, Saarburger Rausch, Mosel, Auslese, 2011 |
Das Team
Klaus Erfort (rechts) und sein Team
Fazit
Klaus Erfort und sein junges Team zelebrieren Produktschätze und Frankreichs' Hochküche mit einer eigenen puristischen und intuitiv wirkenden Leichthändigkeit, wie kaum jemand anderes. Eine Bastion in Sachen kulinarischer Perfektion und französischer Küche!
weitere Informationen:
Adresse: | Gästehaus Klaus Erfort | |||
Mainzer Straße 95 | ||||
66121 Saarbrücken | ||||
Webpage: | https://www.gaestehaus-erfort.de/ | |||
Öffnungszeiten: | Montag - Freitag: 12:00 - 13:30 h / 19:00 - 21:30 h | |||
Chef de Cuisine: | Klaus Erfort | |||
Datum unseres Besuchs: | 28.08.2020 | |||
Besuchskonditionen: | Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt | |||
Kosten: | 7 Gänge (€ 205,--) / 4 Gänge (€ 147,--) | |||
Auszeichnungen: | 3 Sterne (Guide Michelin 2020) | |||
19,5 Punkte (Gault Millau 2021) | ||||
Copyright by les étoiles |
5 Hauben (Der Große Guide 2021) |