Langasthof am Königsweg, Ohmden - Zwischen Landtugend und Kreativität

Veröffentlicht am 26.05.2021


Heute begeben wir uns seit Langem mal wieder auf eine Landpartie ins beschauliche Ohmden im Vorland der schwäbischen Alb. Hier führen Jenny und Sascha Grampp das Traditionshaus Landgasthof am Königsweg seit Sommer 2019 - nach 2-jährigem Leerstand - ambitioniert weiter. Zuvor war das Haus regelmäßig unter Fritz Richter rund 20 Jahre mit einem Michelin-Stern bewertet worden.

Der Landgaumen verlangt große Portionen, der Gourmet hingegen Finesse und Reduktion - eine der besonderen Herausforderungen auf dem Land. Wie die Küche diesen Spagat meistert, lest ihr hier.

Außenansicht

Ein wunderschönes, liebevoll restauriertes  Fachwerkhaus mit 400-jähriger Geschichte an der Hauptstraße von Ohmden, unweit der A8 und rund 40 km von Stuttgart entfernt, bildet das Ziel unserer heutigen Reise. Genauer gesagt natürlich die Küche von Sascha Grampp, welcher seit 2019 mit seiner Ehefrau Jenny das Restaurant übernommen hat. Eine ambitionierte Aufgabe, wenn man die Vorgeschichte des Landgasthofs mit 7 kleinen Hotelzimmern betrachtet. Zuvor war hier die Wirkungsstätte des Spitzenkochs Fritz Richters, welcher hier rund 20 Jahre einen Michelin-Stern hielt und seine mediterran inspirierte, frische Küche auch Otto Waalkes und ex-Ministerpräsident Lothar Späth servierte. Leider starb Richter 2017 und es folgten umfangreiche Renovierungsarbeiten und Leerstand.

Aus Erfahrung weiß man, dass Gäste auf dem Land besonders kritisch sind und hier viel Fingerspitzengefühl gefragt ist, vor allem wenn man einen ambitionierten Küchenstil auf gehobenem Preisniveau verfolgt. Andererseits liegt das Restaurant verkehrsgünstig zur Stuttgarter Messe an der A8 und ist somit auch ein beliebtes Ziel von Geschäftsreisenden. Familie Grampps' Antwort sind Qualität, Authentizität Regionalität, gutbürgerliche Evergreens und Gourmetkreationen. 

Gastraum

Der helle Gastraum mit circa 40 Sitzplätzen ist geschmackvoll und stereotypisch eingerichtet, was nicht negativ gemeint ist. Der anthrazit-farbige Steinboden und schwarz bezogene Lederstühle bilden den typisch mondänen Kontrast zu den weißen Tischdecken und klassisch gefalteten Servietten. Wir, als erstmalige Gäste, fühlen uns jedenfalls pudelwohl, obgleich wir keine Fans von weißen, gestärkten Tischdecken sind. 

Neben schwäbischen Klassikern bietet das Restaurant auch ein Gourmetmenü mit 5 Gängen zu € 99,-- an, welches natürlich unsere Wahl ist. Und los geht's....

Apéros

In einer rustikalen Holzschale mit schwarzen Kieseln serviert die Küche eine Auswahl an verschiedensten Apéros. Ein rote Beete-Macaron (à la Erfort) mit Ziegenfrischkäse, Thymian und Honig, ein Tartelette mit Foie Gras und grünem Apfel, eine Blutwurstpraline mit Zwiebelmarmelade und Senfsaat, ein Falafel-Bällchen mit geräucherter Paprika-Crème und zu guter Letzt ein Cornet mit hausgebeizter Lachsforelle und Frischkäse und Kaviar. Grundsätzlich gefällt uns die ausgeprägte Differenzierung der unterschiedlichen Geschmacksbilder. Die Verwendung von artifiziellem Trüffel-Öl bei der Ziegenfrischkäsecreme, das sehr massig geratene Tartelette und das etwas zu trocken geratene Falafel stören etwas den Genuss. Insgesamt ist es dennoch ein kurzweiliger Start. 

Makrele - Gurke - Quinoa - Tonic - Himbeere

Das Menü startet mit kurz gebeizter Makrele, welche auf einen Quinoa-Gurkensalat mit feiner Ingwernote drapiert wird. Umzingelt wird das Ganze von einem angegossenen Gurkensud, Gin Tonic-Schaum und frischen Himbeeren. Auch wenn das Motto des Tellers unverkennbar ist und auch die Optik für sich spricht, so fehlt es der Kreation an aromatischem Feinschliff und Proportionen. So erschlägt die schiere Menge an Quinoa sehr schnell die Essfreude und der Gurkensud, der dem Teller die aromatische Richtung vorgeben könnte, schmeckt lediglich nach entsafteter Gurke. Die Makrele ist schön gebeizt, allerdings einen Hauch zu fest. Summa summarum ein guter, leichter Teller, welcher wunderbar in die sommerliche Jahreszeit passt, jedoch noch etwas Luft nach oben offen lässt. 

Ravioli vom Eifeler Ur-Lamm - Trüffel - Aubergine - Velouté

Mit dem nächsten Gang wird es schlagartig besser. Zwei Ravioli vom Eifler Ur-Lamm, wurden mit Aubergine (gedörrt und als Salat), einer klassischer Velouté und einer großzügigen Menge Sommertrüffel napiert. Etwas Rote-Beete-Gel und alter Balsamico sorgen für Erdigkeit, Süße und Säure. Die aromatische Linie des Tellers ist hier gelungen, allerdings vermissen wir etwas Salz und dass wir uns zwischen den Trüffelsaisons befinden, wird einem auch aufgrund der sehr schwachen Aromatik des Trüffels sofort bewusst. Dennoch macht der Gang Spaß und gegen ein bisschen Soulfood mit handwerklich schön gearbeiteten Ravioli mit üppiger Velouté haben wir an dieser Stelle absolut nichts einzuwenden. Lecker allemal.

Tartar vom Wasserbüffel - Imperial-Kaviar "Golden Queen" - Schmand

Auf warm folgt wieder kühl. Sehr hübsch und dennoch klassisch präsentiert, wartet die Küche mit einem Tartar vom Wasserbüffel auf. Traditionelle Begleiter sind Imperial Kaviar (gegen € 15,-- Aufpreis), Schmand und ein Kartoffelnest. Hinzu kommt noch etwas Seefenchel, welcher uns hier gut gefällt. Am bisher besten Gericht des Abends haben wir nichts auszusetzen. Temperierung und Aromatik sind vorbildlich. So kann es gerne weiter gehen. 

"Via Aurelia" Bioland Heumilchkäse - Zucchini - Balsamico - Zwiebel

Leider haben wir beim Zwischengang (aka Käsegang), welcher einen ungewöhnlichen Platz in der Menüfolge einnimmt, wieder ein paar Fragezeichen in den Augen. Das Konzept des Tellers ist die texturelle Reproduktion der Spezialität einer Käserei aus der Hohenlohe namens Via Aurelia, welche dem Parmesan sehr nahe kommt.

Der sehr gute Käse kommt als Mousse, Chip, in feiner und grober Reibung auf einen Bett aus rohen Zucchini-Scheiben, mit gepickelten Zwiebeln, Balsamico-Crème, -Mousse und -Kaviar.

Verschiedenen Parmesan-Texturen sind wir auch schon bei Daniele Corona im Schloss Filseck begegnet, welcher diese als liebevolle und gelungene Hommage an Massimo Botturas' Klassiker serviert. Allerdings fehlt Sascha Grampps' Version die dringend notwendige, aromatische Akzentuierung, welche durch wässriger und geschmackloser, roher Zucchini leider sogar vollständig abhandenkommt. Da helfen auch gut gepickelte Zwiebelchen oder verspielte Balsamico-Texturen leider nicht so richtig. Die intensive, gute Hauptzutat vermag einiges auszubügeln, allerdings wäre sie mit etwas gutem Brot und altem Balsamico, wahrscheinlich besser zur Geltung gekommen. Manchmal ist weniger einfach mehr.

Wachtelbrust -Süßkartoffel - Rote Beete - Steinpilze

Der Hauptgang wird wieder wunderschön präsentiert und bringt gebratene Wachtelbrust, Süßkartoffelpüree, Rote Beete und panierte Steinpilze zusammen. Leider steht auch hier die Präsentation über dem Geschmackserlebnis, was an der schieren Menge Süßkartoffelpüree und sautierten Rote Beete-Würfeln liegt, welche den Tellern mit Süße und Erdigkeit in aromatische Gefangenschaft nehmen. Die kleinen Wachtelbrüstchen sind gut gebraten, die Panierung der Steinpilze ist allerdings zu dick geraten und dadurch ziemlich ölig. Die feine Bestäubung mit Rote Beete Pulver, Kapuziner-Kresse und Blüten werten zwar die Optik auf, sind aber für das Geschmacksbild eher indifferent. Auch wenn wir hier auf hohem Niveau klagen, so wird man dem sichtbaren Anspruch, welcher durch die Optik vermittelt wird, leider durch zu ungenauer Proportionierung nicht gerecht. 

Zwiebelrostbraten vom deutschen Wagyu (Flank) - Maultasche - Spätzle - Jus

Als Urschwaben kommen wir wohl nicht um Grampps' Luxusversion des Gradmessers schwäbischer Restaurants herum: dem Zwiebelrostbraten. Hier bietet die Küche neben der klassischen Version aus dem Färsenrücken auch einen besonderen Cut an, nämlich aus dem Bauchlappen (Flank Steak) vom deutschen Wagyu-Rind (€ 45,--- pro Portion) an. Natürlich mit hausgemachten Spätzle, gerollter Maultasche, Röstzwiebeln und Bratensauce. Die Textur des Wagyu-Rostbratens ist trotz sous-vide-Garung fest und gut gelungen. Das Fleisch schmeckt intensiv und ist saftig. Die Sauce ist leider zu stark gebunden und somit etwas zu dickflüssig geraten, für unseren Geschmack allerdings auch etwas zu sauer, aber insgesamt gut. Spätzle und Maultasche sind wunderbar. Test bestanden und die Möglichkeit Wagyu-Rostbraten zu bestellen, gibt es leider viel zu selten. 

Schwarzwälder Kirsch - Kirsche in Texturen - Schokolade - Eis

Das Dessert bringt uns in den Schwarzwald und interpretiert den dortigen Klassiker schlechthin. Auch wenn uns die optische Ähnlichkeit zu einem dreifach besternten Münchner Restaurant sofort auffällt und uns die Umsetzung des Themas durchaus gefällt, so will der Funke nicht so recht überspringen. Das liegt vermutlich daran, dass bei der Dekonstruktion der Torte, der authentische Geschmack leider eher eine untergeordnete Rolle spielt. Eine Kirsche ist derartig dick mit weißer Schokolade umhüllt, dass sie zur essbaren Herausforderung wird. Etwas schade, dass man das Potenzial des Themas  zu wenig ausnutzt und die aromatischen Enden einer Schwarzwälder Kirsch-Torte nur lose zusammenbekommt. In einem Landgasthof wäre dieses Dessert sicher akzeptabel, für ein Gourmetrestaurant leider etwas zu wenig. Schade.

Petits Fours

Gute Petits Fours (u.a. ein Canelé mit Rosmarin) beenden ein Menü, welches der Küche viel Leidenschaft attestierte, jedoch in der Umsetzung zu oft etwas hinterherhinkte. Auch wenn wir uns schon auf einem ordentlichen Niveau mit guten Produktqualitäten bewegen, war die Küche immer dann am besten, wenn man der Bodenständigkeit (Blutwurst-Praline, Lamm-Ravioli, Tartar & Rostbraten) den Vorrang lies.

Jenny Grampp und Carolin Hohler sorgen mit Ihrer herzlichen und humorvollen Art für eine schöne Atmosphäre. Auch wenn der Abend kulinarisch noch ein paar Wünsche offen ließ, so hat es trotzdem viel Spaß gemacht. In Ohmden sind bereits die Straßenlaternen aus und es ist mucksmäuschenstill, so schnell vergeht die Zeit und kurzweilig war es allemal. Guts' Nächtle!

Alkoholische Getränkebegleitung

Getränkebegleitung

 

Aperitif Sektkellerei Kessler Brut, Cuvée Sekt, Esslingen
1. Gang (Makrele): Weingut Dr. Loosen, Riesling trocken QbA, Blauschiefer, Mosel, 2019
2. Gang (Ravioli): Weingut Clüsserath-Weiler, Riesling Terra Rossa Zellerberg, Mosel, 2015
3. Gang (Käse): Weingut Albrecht Schwegler, Chardonnay Reserve, Württemberg, 2018 
4. Gang (Wachtel): Weingut Graf Adelmann, Brüssele Cuvée Rot, Württemberg, 2016
5. Gang (Rostbraten): Weingut Kusterer, Rosenholz Spätburgunder, Württemberg 2016 
6. Gang (Dessert): Weingut Knewitz, Steinacker Riesling Auslese, Rheinhessen, 2019

Team

Team (von links nach rechts): Sascha & Jenny Grampp (1. und 2.von rechts) mit Team


Fazit

Sascha Grampps' Spagat zwischen Landgasthof und Gourmetrestaurant war heute zwar nicht immer gelungen, jedoch kurzweilig und voller Ambition. Einige Unschärfen in der Aromatik und Proportionierung machen noch den Unterschied zwischen gehobenem Niveau und Spitzenküche. Wenn es die Küche schafft, diese auszumerzen, wird das sympathische Team in Ohmden noch viel von sich Hören machen.


weitere Informationen:

Adresse: Landgasthof am Königsweg
  Hauptstraße 58
  73275 Ohmden
   
Webpage: http://www.landgasthof-koenigsweg.de/
   
Öffnungszeiten: Dienstag - Samstag: 17:00 - 22:00 h // Sonntag: 12:00 - 14:00 / 17:00 - 22:00 h
  Montags und Donnerstag geschlossen
   
Chef de Cuisine: Sascha Grampp
   
Datum unseres Besuchs: 02.09.2020
   
Besuchskonditionen: Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt
   
Kosten:  5-Gang Gourmet-Menü € 99,--  / à la Carte Hauptgänge € 20 -45,--
   
Auszeichnungen: 3 Hauben (Der Große Guide 2021)
   
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