Veröffentlicht am 18.11.2022
Es tut sich was im idyllischen Langenargen. Die Bodenseeperle bietet neben Schloss Montfort und einer wunderschönen Promenade mit Aussicht auf die Schweizer Alpen nicht nur Flaniermöglichkeiten, sondern auch bereits seit 2018 das Spitzenrestaurant SEO Küchenhandwerk, welches seit 2019 mit einem MICHELIN-Stern ausgezeichnet ist. Hier kocht das Österreichische Köche-Paar Roland Pieber & Kathrin Stöcklöcker eine spannende Fusionsküche aus vorwiegend mediterraner und alpiner Küche - für nur 12 Gäste am Abend. So viel sei vorab gesagt: nicht nur der traumhafte Ausblick von der Terrasse bescherte uns große Freude. Hier unser Bericht.
Außenansicht (Fotocredit: Seevital Hotel)
Das inhabergeführte Seevital-Hotel reiht sich ziemlich unauffällig in das beschauliche Bild des Langenargener Marktplatz ein. Hotelier und Geschäftsführer Michael Ritter hat hier seit wenigen Jahren eine kleine Oase für anspruchsvolle Urlauber und Geschäftsreisende geschaffen und ist mit seinem „Projekt“ noch nicht am Ende. Vielmehr hat die Reise erst begonnen und die Erweiterung des SPA-Bereichs und den Ausbau und Erweiterung der Zimmer zu großzügigeren und luxuriöseren Suiten sind bereits geplant.
Die Kulinarik des Hauses steht bereits breitschultrig und verkörpert die hohen Ambitionen. Mit dem steirischen Spitzenkoch Roland Pieber (32) hat sich Ritter einen Küchenchef mit lupenreiner Vita ins Boot geholt. So kochte Pieber bereits bei Alain Weisgerber im Taubenkobel** oder im Landhaus Bacher** in Mautern bei Thomas Dorfer. Zusammen mit seiner Partnerin und Köchin Kathrin Stöcklöcker wird hier auf Spitzenniveau gekocht. Sommelier Karlos Herzel verstärkt das Team und führt das Restaurant professionell und mit Fokus auf eine ausgewogene Mischung aus kleinen, handwerklich arbeitenden Winzern der Region und Traditionsweingüter aus Deutschland, Österreich und Frankreich.
Kräutergarten
Terasse des Gourmetrestaurants
Auf der Dachterrasse befindet sich ein beeindruckender Kräutergarten, aus welchem sich die Küche bedient. Hier finden sich interessante und rare Küchenkräuter wieder, welche wir ebenfalls heute Abend auf den Tellern finden werden.
Das Gourmetrestaurant verfügt über eine traumhafte Terrasse mit direktem Blick auf den Bodensee und die dahinter befindlichen Schweizer Alpen. Die mondäne Einrichtung besticht mit geschmackvollen Vintage-Elementen und vermittelt sogar einen fast mediterranes Flair, welcher durch die Uferpromenade und dem ästhetische Pflanzen-Konzept noch verstärkt wird.
Sommelier und Restaurantleiter Karlos Herzel empfängt uns im lässigen Leinanzug, mit herrlich ansteckender guter Laune und oberschwäbischer Herzlichkeit. Schon bei der offenen Champagner-Auswahl wird klar, dass hier eher off-the-box gedacht wird und wir, als vinophile Gäste, hier voll auf unsere Kosten kommen werden. Auch die Nachfrage, ob es zur Weinbegleitung eine Side Bottle sein darf, ist uns sehr sympathisch. Am Ende starten wir mit einem Glas (Julie Dufour, BinØme R19, Brut Nature) und einem gereiften Smaragd-Riesling aus Österreich (F.X. Pichler, Loibner Steinertal 2011) völlig entspannt in den Abend. Wir nehmen natürlich das voll 8-Gang Menü (€ 169,--) und freuen uns auf das nun folgende.
steckbrief roland Pieber
geb. am 15.09.1989 in Graz / Steiermark
Wanderjahre (Auszug):
Landhaus Bacher**, Mautern, Österreich
Kreuzwirt, Südsteiermark (3 Hauben GM), Österreich
Taubenkobel**, Neusiedlersee, Österreich
Schlossküche Balthasar (2 Hauben GM), Österreich
Auszeichnungen:
Sieger Junge Wilde 2018
Finalteilnehmer Chef en Or Paris 2019
Amuses Bouches
Der kulinarische Teil beginnt mit einer wahren Amada an vielfältigen und präzise zubereiteten Snacks. Bei dieser fein gearbeiteten und wunderhübsch präsentierten Auswahl kann man sich schon mal kurz ungläubig anschauen, zumal wir wissen das hier nur 4 Hände in der Küche am Werk sind. Auch geschmacklich bewegen sich die Snacks zwischen hervorragend uns sensationell und zeigen wunderschön, wohin die Reise geht und dass der Gast hier zwischen modernen weltoffenen Zubereitungen und Klassik alles erwarten darf. So wechseln sich leichte Snacks, wie die Salatrolle mit Sushi-Reis, Kosho-Citrus-Vinaigrette, gebeizter Lachsforelle, sowie Saiblingskaviar oder das Röllchen von der roh marinierten Mairübe, mit Linsenhumus, mit herzhaften Umamibomben wie das knusprige Tartelette mit Pfifferlingstartar, gerösteten Schalotten, Pilzkraut und Erdbeerspinat-Früchten und einer wunderbaren Arme Ritter-Interpretation mit buttrigem Brioche, Rinder-Herz-Leber-Crème, Rindertartar, eingelegter Wintertrüffel und einem Karamell (!) vom hausgemachten Garum munter ab. Auch hervorragend gelungen ist der Roggenchip, mit Mandel-Creme, Geflügelleberparfait-Crème und roter Rübe oder der Klassiker. Eine kühle Suppe von der Johannesbeertomate mit Limette und indischem Basilikum zum Schluss belebt und reinigt die Papillen am Schluss von den kleinen, Tellerkunstwerken. Wir sind schwer beeindruckt.
Huchen - Tomate - Grüne Mandeln - Muschelvelouté
Mit Huchen oder auch Donaulachs starten wir ins Menü. Das Filet des, aus der Familie der Lachsfische (Salmonidae) stammenden, Fischart wurde lediglich kurz in Olivenöl angegart. Dazu gibt es eine Muschel-Velouté, welche mit knackigen grünen Mandeln und Sonnenblumenblättern versetzt wurde, einen Salat aus verschiedenen seltenen Tomatensorten, kandierten Sonnenblumenblättern und geröstete Sonnenblumenkerne. Auch wenn es die sehr milde Hauptzutat nicht immer leicht hat, sich durchzusetzen, gelingt es der Küche hervorragend, ein wunderbar feinsinnigen Aromenteppich um den Huchen zu legen, welcher von der umamireichen Fruchtigkeit der Tomate, Nussigkeit der Sonnenblume und grünen Mandel lebt und vom Fettgehalt der mild-würzigen Velouté getragen wird und von deren feiner Jodigkeit untermalt wird. Pieber setzt hier zu Beginn bereits ein großes Ausrufezeichen und zeigt wie leise und sensationell feinfühlig man hier – fernab jeder Belanglosigkeit - kombinieren kann. Großes Kompliment.
Kohlrabi - Hanfsamen - Verjus - Roggen
Beim darauffolgenden Gemüsegang kommen wir direkt bei der ersten Gabel bereits ins Staunen. Hier widmet sich der Küche weitestgehend nur einer Zutat: dem Kohlrabi. Hierzu wird dieser in Molke gegart, mit gerösteten Hanfsamen, getrockneten Tomaten und Roggenbrot gefüllt und in einer Sauce aus reduziertem Kohlrabi-Fond, Verjus, grasigem Leindotter-Öl und etwas Zitrone gebadet. Die Kreation wirkt unwirklich elegant ausgewogen und geizt nicht mit Intensität und der schön unreifen Verjus-Säure, welche zum souveränen Gegenspieler des leicht süßlichen Kohlrabis wird. Besser kann man sich dem Thema Kohlrabi ganz sicher nicht widmen, höchstens anders. Weltklasse!
Carabinero - Charentais Melone - Zitronengurke
Ein wunderschöner, feuerroter Carabinero ist der Hauptdarsteller des nächsten Gerichts. Das Krustentier wurde auf eine Art Carabinero-Flan drapiert, welcher mit aus den Köpfen hergestellt wurde, gebettet und mit einem leichten Melonen-Gurkensalat kombiniert. Hinzu kommt ein intensiver Carabinero-Schaum, Austernkraut, etwas XO-Sauce, und frittierter Basmati-Reis für Textur. Uns gefällt insbesondere die Tatsache, dass die Küche nicht versucht das Krustentier mit anderen Aromenwelten (z.B. Thaiaromen) konkurrieren zu lassen, sondern den Krustentier-Eigengeschmack gezielt herausarbeitet und mit frischen, dezenten Aromen von Charentais Melone und Gurke (Zitronengurke & Melonengurke) geschickt akzentuiert. Dieser Teller ist eine wahre Freude für Produktfetischisten wie wir und überaus hervorragend gelungen.
Schlutzkrapfen - Spinat - Bergkäse - Schwarzer Trüffel
Der Schlutzkrapfen ist eine Spezialität aus Südtirol, welcher auch in Österreich verbreitet ist. Roland & Kathrin servieren als nächsten Gang Ihre eigene, bildhübsche Interpretation mit einer Füllung aus Österreicher Brösel-Topfen, gerösteten Schalotten, Kartoffel, Kerbel und Petersilie und kombinieren Ihn mit einer Jus aus schwarzen Trüffeln, einer Bergkäse-Emulsion und einem feinen Spinatpüree. Neben dem ausgezeichneten Handwerk wird die herzhafte Nudelspezialität schlichtweg von ihrem umamireichen Wohlgeschmack getragen und ist Seelenfutter par excellence. Elegante, behagliche Rustikalität, die direkt ins Herz geht.
Schweinekinn - Aubergine - Miso - Hopfenoregano
Weiter geht’s mit knusprigen Schweinekinn. Das unten perfekt zarte und oben mit einer knusprigen, aufgepoppten Kruste zubereitete Fleisch liegt auf einem gerösteten Artischocken-Püree und wird mit wildem Broccoli und einer, mit selbst hergestellten Miso-Paste marinierter, gegrillten japanischen Aubergine kombiniert. Hinzu kommt eine Schweine-Jus mit emulgierten, würzigen Majoran-Öl. Als geschickten Kontrastpunkt zum fettigen Fleisch wählt Pieber das Fruchtfleisch von Fingerlimes, welches säuerlich-pfeffrig etwas Frische, auf der Kruste in das Gericht bringt. Auch diese Kreation ist ein schöner Spagat zwischen Rustikalität und einem geschickt fusionierten Aromen-Horizont, welcher vor allem eins ist: Unkompliziert und saulecker!
Salzwiesen-Lamm - Paprika - Gurke - Senf
Auf dem Höhepunkt der bisher hervorragenden Menüfolge, serviert uns die Küche eine offenkundig perfekt gegarte Tranche aus dem Rücken des Salzwiesen-Lamms. Der Fettdeckel wurde zudem goldbraun, kross ausgebacken, was dem Fleisch mehr Geschmack und Charakter verleiht. Die perfekte Ergänzung ist eine himmlisch intensiver Jus, welche mit Senfsaat arrondiert wurde. Die Entourage aus Gurke und Paprika ist dann eher ein flüchtiger Mitspieler, als wirkungsvoller aromatischer Gegenpol. So oder so: Fleisch und Jus sind der Himmel. Wir bitten sogar noch um einen Nachschlag und kurze Zeit später steht Roland Pieber mit jeweils zwei Tranchen Lamm und Sauciere an unserem Tisch. Sensationell produktbetonter Hauptgang – zum Finger ablecken gut.
Olivenöl - Tomate
Auf dem intensiven Hauptgang folgt eine Erfrischung: ein cremiges Olivenöl-Eis in Tomatenwasser. Frisch, fruchtig, wunderbar balanciert und kurzweiliger Genuss. Unbeirrbar hervorragend.
Pfirsich - Sauerrahm - Piemonteser Haselnuss
Sous Chefin Kathrin Stöcklöcker besitzt ein hervorragendes Händchen für die Patisserie. Dies stellt sie beim süßen Teil eindrucksvoll unter Beweis. Sie kombiniert Bodenseepfirsich (als säuerliches Mousse, Eistee, und geschnitten, in Edelkastanienhonig gebeizt) mit Sauerrahm (Eis & Mousse), Piemonteser Haselnüssen (als Creme und Baiser) und einem Hauch Zitronenverbene. Heraus kommt ein erfrischendes, wunderbar ausbalanciertes Sommerdessert, welches durch die buttrige Tuille aus Haselnüssen und Honig auch noch zusätzlich um einen weiteren Soulfood-Faktor ergänzt wird. Nussig, buttrig, frisch und säuerlich – Hammer!
Käseauswahl
Auch zum angebotenen Käse sagen wir nicht nein und freuen uns wenig später über eine schöne vielfältige Selektion (u.a. vom Spitzenproduzent Jamei Laibspeis‘ aus dem Allgäu) mit hausgemachten Brot und Kondiments. Herrlich!
Petits Fours
Kathrins Liebe für die Patisserie drückt sich auch in Ihren süßen Kleinkunstwerken aus, welche den Abend wunderschön abschließen. Allesamt wunderbar gearbeitet.
Angenehm gesättigt genehmigen wir uns noch ein paar Gläschen Wein und sinnieren vor den Lichtern, welche sich im nächtlichen Bodensee spiegeln. Selten haben wir so unvoreingenommen ein Restaurant besucht und selten waren wir im Anschluss derart begeistert. Sicher gebührt Michael Ritter hier ein ebenso großes Shoutout an dieser Stelle, da er der Leidenschaft seines Teams offensichtlich viel Freiraum zur Entfaltung gibt, was sich in enorm feinsinnigen, profilierten Kreationen und geradezu ansteckender, gelebter Passion widerspiegelt.
Nach einem tollen, reichhaltigen Frühstück auf derselben Terrasse am nächsten Morgen, reisen wir mit dem dringenden Wunsch ab, hierher baldmöglichst wieder zu kommen und das wird spätestens im nächsten Sommer geschehen. Bis bald!
Alkoholische Getränkebegleitung
Weinbegleitung
Ein weiteres, besonderes Shoutout geht an diesem Abend an Karlos Herzel, welcher uns mit enormen Charme und ansteckender Leidenschaft eine der interessantesten und vielschichtigsten Weinbegleitungen ever präsentierte. Kaum zuvor hatten wir aktuelle und rare Trendweingüter (Julie Dufour Binôme Champager oder van Hauen Chardonnay 2020 vom nahen Weingut Aufricht) neben gereiften Klassikern (z.B. Rudolf Fürst, Frühburgunder Centgrafenberg 2009 oder J.J. Prüm, Bernkasteler Auslese 2010) und Newcomern (Jonas Kurek Weissburgunder Nonnenhorner Seehalde 2020) in einer Auswahl. Dass wir an dieser Stelle soviele Zeilen schreiben, ist recht ungewöhnlich und soll natürlich unser großes Lob an Karlos ausdrücken, welcher seinem Beruf mit maximaler Leidenschaft nachgeht. Chapeau!
Team
Karlos Herzel, Kathrin Stöcklöcker & Küchenchef Roland Pieber
Fazit
Spannend, weltoffen und mit österreichischem Akzent. Roland Pieber & Kathrin Stöcker zelebrieren vor wunderschöner Kulisse eine sagenhafte, handwerklich präzise und naturnahe Hochküche mit tollem eigenen Profil, welcher schon jetzt weit mehr Aufmerksamkeit gebührt. Bitte allen weitersagen und unbedingt reservieren.
weitere informationen
Adresse: | SEO Küchenhandwerk |
im Seevital Hotel | |
Marktplatz 1 | |
88085 Langenargen | |
Website: | https://www.seevital.de/seevital-welt/seo |
Servicezeiten: | Mittwoch - Samstag 18:00 - 22:00 Uhr |
Chef de Cuisine: | Roland Pieber |
Besuchskonditionen: | Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt |
Kosten: | 8-Gang-Menü: € 169,-- / Weinbegleitung: € 90,-- |
Auszeichnungen: | 1 Stern (Guide Michelin 2022) |
2 Hauben (Galut Millau 2022) | |
Großer Guide folgt | |
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